Am 01. Juni 2015 gab es viel Ehre im Stadtrat von Esens: Der langjährige Bürgermeister Klaus Wilbers (SPD), der sich vorzeitig mit Ablauf des 31. Mai von allen Ämtern verabschiedet hatte, wurde zum Ehrenbürger gewählt. Der Ratssitzung fern blieb die Fraktion „EBI“ (Esenser Bürgerinitiative) und die Bfb/CDU, nicht zu verwechseln mit der „Neuen CDU“, die eigentlich die alte CDU ist und die sich im Streit, u.a. wegen des Fiaskos um die Umgehungsstraße Bensersiel, entzweit hatte. Der stets politik- und verwaltungsnah berichtende Redakteur des „Anzeiger für Harlingerland“, Detlef Kiese`, bei Sitzungseröffnung vom stellvertretenden Bürgermeister Heiko Willms (SPD) direkt angesprochen und persönlich mit „du“ begrüßt, kommentierte das Fernbleiben der beiden Ratsfraktionen so:
Anzeiger für Harlingerland, S. 5, 03 Juni 2015
MEINE MEINUNG
Schlechter Stil
von Detlef Kiese
Das Interesse seitens der Bevölkerung an der wichtigen und bedeutenden Stadtratssitzung war groß. Immerhin sollte ja ein neues Stadtoberhaupt gewählt werden. Die Ratsmitglieder der EBI und von BfB/CDU – von Bürgern gewählte Volksvertreter – blieben der Versammlung jedoch bewusst fern. Sie hatten öffentlich gegen die „drei Sondersitzungen an diesem Tag“ und damit verbundene „Kosten in vierstelliger Höhe“ argumentiert. Dem Betrachter drängt sich allerdings die Vermutung auf, dass das Fernbleiben einen anderen Grund hat. Da die Wahl der neuen Bürgermeisterin wohl kaum Ursache gewesen sein kann, scheint die Begründung für den Boykott offensichtlich in der Ernennung von Klaus Wilbers zum Ehrenbürger zu liegen. Demnach lasten die fünf Ratsleute dem bisherigen Bürgermeister die große Misere mit Entlastungsstraße und Nordseetherme an. Dabei basiert das Fiasko auf Entscheidungen der Ratsgemeinschaft. Einer Beteiligung der Ehrenbürgerernennung bewusst zu umgehen und die Entscheidung nicht mitzutragen, ist politisch schlechter Stil. Immerhin wissen die Politiker von EBI und BfB/CDU selbst genau, wie viel ehrenamtliche, zeitaufwendige Arbeit die Mandatsträger und erst Recht ein Bürgermeister aufzuwenden hat. Stadtdirektor Harald Hinrichs rechnete übrigens nach, dass die Kosten an diesem Abend keine 500 Euro ausmachten, da es sich vielmehr um zwei Sitzungen handelte und sich die Volksvertreter auf ein Sitzungsgeld geeinigt hatten.
Nun, ganz nüchtern betrachtet, ist das verabschiedete Stadtoberhaupt mitverantwortlich, aber nicht alleinverantwortlich für den teuren und von zwei Gerichten gerügten Straßenschwarzbau im Vogelschutzgebiet. Er hatte stets für die verschiedenen Bebauungspläne für den Straßenbau gestimmt und dabei, genau wie seine Ratskollegen von der SPD, CDU und den Grünen, alle im Beteiligungsverfahren schriftlich vorgetragenen fachlichen Bedenken ignoriert und „weggewogen“. Aber die viele Ehre des Ratsabends kleisterte diese Details zu.
Jürgen Lohs aus Moorweg hat sich seine Gedanken zum „schlechten Stil“ gemacht und Detlef Kiese´aufs Korn genommen:
Eines Detlefs Stil
Die Gedanken sind Brei
von Jürgen Lohs, Moorweg
Im Anzeiger für Harlingerland, dem Tageblatt ohne Zeitungsformat, meldet sich am 03. Juni 2015 dessen Fachkraft für Stilfragen Detlef Kiesé mit einem Aufsatz zu Wort, den er „Schlechter Stil“ betitelt und zunächst mit einer Entschuldigung einleitet: „Meine Meinung“ schreibt er sich in’s Kästchen darüber, und bekanntlich ist, wo die Meinung herrscht, kein Platz für klare Gedanken. Machen wir uns dennoch auf die Suche.
„Das Interesse seitens der Bevölkerung an der wichtigen und bedeutenden Stadtratssitzung war groß“ , behauptet er eingangs und das war auch schon die ganze Nachricht, denn die Begründung für den Doppelmoppel wichtig & bedeutend bleibt er schuldig. Wichtig & bedeutend sind z.B. Themen wie Entlastungsstraße, TEB, Haushalt, Altenwohnungen, Wahlversprechungen oder Bürgerportal, aber die werden sachgerecht anderswo behandelt.
Damit, was nun ausgerechnet diese Ratssitzung uns bedeuten will, rückt er eher knickrig raus: „immerhin“, so beschattet er im Lichte von Wichtig- & Bedeutsamkeit, „sollte ja ein neues Stadtoberhaupt gewählt werden.“ Sein ja festigt ihm den Doppelmoppel, während sein immerhin dessen Plausibilität erschüttert.
„Die Ratsmitglieder der EBI und von BfB/CDU – von Bürgern gewählte Volksvertreter – blieben der Versammlung jedoch bewußt fern.“
Was ist nun das Verwerfliche? Sehr wahrscheinlich das bewußt , denn bewußtes Handeln in der Politik, also mit Verstand und nicht nach Pawlow oder Bauchgefühl, ruft Argwohn hervor, den zu schüren dem Detlef der Zusatz bewußt unverzichtbar ist.
Bewußtheit ist die Schwester des Vorsatzes, der wirkt strafverschärfend.
Daß solche bewußten EBI- und BfB/CDU-Ratsmitglieder obendrein von Bürgern gewählte Volksvertreter sind – in diese Wunde muß des Detlefs Finger – leitet den Skandal ein, den der Hauptgefreite der Propagandakompanie nicht besser hätte inszenieren können.
Der Hintergrund des Fernbleibens wird nicht überliefert – Nachrichtensperre! Nach hinten wegtreten! Stattdessen wird in’s Vakuum geplaudert und wer was wissen will, soll bei BfB/CDU und EBI selber lesen oder doof bleiben.
„Sie hatten öffentlich [dies ist die zweite Schwester des Vorsatzes!] gegen … argumentiert“ und weil die Nachrichtensperre auch und gerade für die Weggetretenen gilt, sind die Gedanken Brei und breiten sich von selber aus: „Dem Betrachter drängt sich allerdings die Vermutung auf, dass …“
Welchem Betrachter? Meint er den Leser, den Ratsbesucher?
Und was gibt’s hier sonst zu betrachten als die fehlende Information? Aha: Detlefs Vermutung! Die nämlich drängt sich auf. Bislang hatte ein Betrachter eine Vermutung oder er hatte keine, mitnichten aber erlangte er sie durch deren Aufdrängung bzw. -dringlichkeit.
Und weil die deutsche Sprache schwierig ist, klemmt der Schreiber ein allerdings dazwischen. Das ist zwar sinnlos, wirkt aber kritisch und rätselhaft.
„…dass das Fernbleiben einen anderen Grund hat“, sagt er weiter, der Betrachter, der er selber ist, bei der Betrachtung seiner eigenen drängenden Vermutung und suggeriert damit, er habe bereits einen Grund genannt und nun noch einen anderen aufgespürt. Aber Pustekuchen! Nix hat er außer Betrachtung, Drängen und Vermutung und er raunt fröhlich weiter hin- und herleitend: „Da die Wahl der neuen Bürgermeisterin wohl kaum Ursache gewesen sein kann…“
Wohl kaum gewesen sein kann …, das ist die bleibende Nachricht, wenn die Propagandakompanie längst abgezogen ist, und er schreibt Ursache und meint Anlaß, aber er kann es nicht sagen.
„… scheint die Begründung für den Boykott offensichtlich in der Ernennung (…) zu liegen“ – ja wattennu? Scheint es dem Detlef nur oder ist es – im Gegenteil – ihm und allen offensichtlich? Scheißdrauf, hauptsache Orakelkette.
Er schreibt Begründung und er meint Grund, aber er kann es nicht sagen – denn gerade die Begründung, also die Erklärung von EBI, BfB/CDU ist eben die Information, die verschwiegen unter’m Redaktionsschreibtisch liegenbleiben soll.
„Demnach“, so rührt er den Brei der Betrachtung seiner Vermutung eine weitere Runde, „lasten die fünf Ratsleute dem bisherigen Bürgermeister die große Misere mit Entlastungsstraße und Nordseetherme an“, obwohl doch allerorten Verunsicherung sich breitmacht angesichts der Vielzahl der Täter.
Mit Misere aber betreten wir nun großes Esenser Schicksalskino; Jammer, Not & Elend nämlich quillt aus der Betrachtung der Vermutung und wird dem Ex-Bürgermeister an den Hals geschrieben.
„Dabei basiert das Fiasko auf Entscheidungen der Ratsgemeinschaft“
Das dabei suggeriert nun einen Widerspruch, so funktioniert die Dialektik der Kai-Diekmann-Förderschule: These – Gegenthese – Prothese, und auch sonst ist’s insgesamt ein grandioses Satzwerk: Diesmal mit Fiasko, dem Mißerfolg, der eine Basis hat, nämlich die Entscheidungen einer Gemeinschaft, die die Basis für den Mißerfolg darstellen. Und sonst so? Wer hier die Ratsfraktionen und -gruppen als Ratsgemeinschaft halluziniert, nennt den Esenser Stadtrat auf der selben Seite ebenso selbstverständlich: „Volksparlament“ – und ertaubt hoffentlich unterm schallenden Gelächter.„Einer Beteiligung der Ehrenbürgerernennung bewußt zu umgehen…“ – so langer Quark in so kurzem string – sie ausweichen oder ihr umgehen … ? Eine Beteiligung der Ernennung … ?, da die deutsche Sprache doch so viele Verhältniswörter kennt (an, auf, hinter, neben, in, über, unter, vor und zwischen).
Umgehen bezeichnet eine verdruckste Vermeidungshaltung, aber diese hier natürlich aktiv und zielgerichtet, nämlich bewußt – da ist sie wieder, die Schwester des Vorsatzes, und eiert zwischen den Gegenteilen, um „die Entscheidung nicht mitzutragen“.
Die Entscheidung wird gefällt, getroffen, oder auch nicht, oder, wie in Esens häufig, vertagt, das bleibt dem jeweiligen Entscheider überlassen, aber getragen, gar mitgetragen, wird sie gewiß nicht. Auch ihr Ergebnis wird nicht getragen, sondern allenfalls umgesetzt oder nicht; schwer zu tragen haben daran gelegentlich die Entscheider, allerdings im übertragenen Sinne, compris ?
Und was ist dies alles? Steht doch drüber: Schlechter Stil !