(Große Teile dieses Textes wurden im Anzeiger für Harlingerland/Wittmund am 23. Dezember 2015 als Leserbrief veröffentlicht.)
Bei einem Theaterbesuch muss man Eintritt bezahlen. Bei der letzten Samtgemeinderatssitzung in Esens am 16. Dezember 2015, auf der nach heftigen Diskussionen schließlich mehrheitlich die Bürgerbefragung zum weiteren Ausbau der Windenergie beschlossen wurde, war der Eintritt frei, und sehr unterhaltsam war es noch dazu. Die Zuschauer konnten eine Posse und ein Trauerspiel gleichzeitig erleben: Die CDU-FDP-Gruppe unternahm mit viel Rhetorik – oder war es nur Geschwätz? – unter Ziehung aller Register den vergeblichen Versuch, die Bürgerinnen und Bürger, die sie vorgeblich vertritt, von einer Willensbekundung für oder gegen mehr Windkraftanlagen in der Samtgemeinde Esens auszuschließen und die Befragung zu verhindern. Dabei ist es gar nicht eindeutig abzusehen, wie sich die Bürgerinnen und Bürger entscheiden werden. Das, mit Verlaub, dämliche Argument des „Klimaschutzes“ oder “Wollt ihr etwa lieber ein Atomkraftwerk?“ verfängt immer noch beim uninformierten Zeitungsüberschriftenleser oder bei ideologisch gefestigten, aber ratiophoben und faktenresistenten Energieromantikern. Wer „das Klima schützen“ will, müsste zunächst das Wetter, also Hochdruckgebiete, Tiefdruckgebiete, den Luftdruck, den Wind, Niederschläge, Wärme oder Kälte „schützen“. „Wetter“ ist ein nichtlineares und chaotisches Phänomen und lässt sich auch nur für drei Tage einigermaßen verlässlich voraussagen, deshalb sind langfristige Klimavorhersagen eher ein Blick in die Kristallkugel denn seriöse Wissenschaft. Erst kommt das Wetter, daraus ergibt sich nach einer dreißigjährigen Messreihe als statistischer Wert das „Klima“ für eine bestimmte Region. Ein „durchschnittliches Weltklima“, wie uns viele Medien weismachen wollen, gibt es sowenig wie die durchschnittliche Telefonnumer von Berlin.
Auch die Windenergie kann weder das Wetter noch in Folge das Klima beeinflussen, durch ihre unstete und windabhängige Stromeinspeisung kann sie kein Atom-, Kohle- oder Gaskraftwerk ersetzen. Speicher – vom Windkraftanlagenhersteller Enercon in Aurich beworben – sind zwar als enorme teure und kurzlebige Propagandaplacebos vorhanden, aber nicht als Ersatz für Wärmekraftwerke geeignet. Diese Kraftwerke, ob man sie mag oder nicht, liefern den verlässlich abrufbaren Strom bei jedem Wetter, unverzichtbar in einer Industriegesellschaft. Und weitere Atomkraftwerke sind weder in Deutschland noch in Ostfriesland geplant, weltweit sollen jedoch ca. 170 neue Reaktoren an Netz gehen (Stand 2015). Am deutschen Energiewesen wird die Welt also nicht genesen.
In Deutschland drehen sich derzeit ca. 25.000 Windräder, wenn der Wind weht. Sie tragen gerade einmal mit 1,6 Prozent (einskommasechs) zum Primärenergieverbrauch in Deutschland bei (Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2014). Link .pdf: Primäenergieverbrauch_2014
Der Motor für den windigen Boom ist ausschließlich das für 20 Jahre garantierte Abschöpfen der Einspeisevergütung auf der Grundlage des Erneuerbare Energiengesetzes (EEG). Diese Subvention für die Projektierer und Investoren bezahlen alle Stromkunden zwangsweise über das EEG, ab 2016 mit 7,56 Cent (einschl. MwSt) für jede verbrauchte Kilowattstunde zusätzlich zu den Stromkosten, aber ohne messbaren Nutzen. Ein Privathaushalt mit 5.000 kWh Jahresverbrauch zahlt also 378 Euro im Jahr oder 31,50 Euro im Monat zusätzlich, für die Profiteure.
In der Samtgemeinde Esens stehen derzeit in Holtgast, Neuharlingersiel, Werdum und Stedesdorf ca.70 Anlagen, bis zu 200 Meter hoch. In der Nachbargemeinde Dornum im Landkreis Aurich sind es mehr als 120 Windkraftanlagen, in Westerholt/Holtriem ca. 60 Anlagen, weitere 10 Anlagen sind dort geplant. Dazu kommen die vielen Anlagen im Umfeld der Stadt Wittmund. Viele Anwohner finden durch den Rotorenlärm keinen Schlaf mehr und fürchten den Wertverlust ihrer Immobilien. Die Landschaft, als Urlaubsregion vermarktet, ist völlig entstellt. Das Maß ist also übervoll!
Der schwarz-gelbe Politikerklüngel in Esens, z.T. selbst Windkraftprofiteure, entlarvte sich bei seiner Stimmabgabe gegen die Bürgerbefragung als Interessenvertreter der Windkraftinvestoren und Landeigentümer. Auch der Holtgaster Bürgermeisters Enno Ihnen, der gleichzeitig Vorsitzender des Bau- und Umweltausschusses der Samtgemeinde ist, stimmte gegen die Bürgerbefragung. Ob es daran liegt, dass der Sohn seiner Lebensgefährtin ausweislich eines Handelsregistereintrages als Grundstückseigentümer am Windpark in Stedesdorf beteiligt ist? Im Holtgaster Gemeinderat firmiert Herr Ihnen unter „Freie Wählergemeinschaft Holtgast“ (FWH), im Samtgemeinderat sitzt er für die CDU. Stedesdorfs Bürgermeister Oelrichs sorgte für Heiterkeit bei Zuhörern, der Gruppe SPD/GRÜNE/Bürgerwille und der Esenser Bürgerinitiative (EBI). Er tat verwundert und konnte sich überhaupt nicht erklären, wie und warum die Gemeinde Stedesdorf und die „Bürgerwindpark Grundstückseigentümer Stedesdorf GmbH & Co KG“ – die aber nur an drei Anlagen beteiligt ist – als Auftraggeber in die Umweltgutachten eines (immer wieder gerne genommenen Planungsbüros aus Bremen) geraten waren, nachzulesen im dicken Aktenordner „1. Änderung des B-Planes Nr.8 – Bürgerwindpark Stedesdorf“ vom November 2015. Mehrere Stedesdorfer Ratsmitglieder sind im Aufsichtsrat oder Vorstand dieses „Bürgerwindparks“ tätig. Die erforderlichen Umweltgutachten für die vorgesehene „Verdichtung“ zusätzlich zu den bestehenden riesigen zehn Windkraftanlagen wurden im März 2015 fertiggestellt und müssen daher schon spätestens 2013 von der Gemeinde Stedesdorf in Auftrag gegeben worden sein, als der Windpark mit den zehn Anlagen gerade mal ans Netz gegangen war.
Damals war man also in Stedesdorf schon fest entschlossen, die Gelddruckmaschine Windenergie mit zusätzlichen Anlagen auch für die private Geldbörse einiger Ratsmitglieder erneut anzuwerfen, an der Öffentlichkeit und an der Samtgemeinde Esens vorbei. Salamitaktik nennt man das.
Die Niedersächsische Kommunalverfassung erlaubt die Abstimmungspraxis bei Flächennutzungsplänen und Bebauungsplänen, auch wenn abzusehen ist, dass solche Ratsbeschlüsse später Geld in die eigenen Taschen der Ratsmitglieder lenken werden. Das ist staatlich geförderte Vorteilsnahme! Es ist daher beschämend, wie sich der Stedesdorfer Gemeinderat mit seinem Bürgermeister als kommunaler Selbstbedienungsladen entpuppt hat. Die für jedermann kostenpflichtig abrufbaren Handelsregistereinträge geben Auskunft über die engen finanziellen Verflechtungen einiger Ratsmitglieder in Stedesdorf und im Samtgemeinderat mit der Windenergiewirtschaft. Das einträgliche Geflecht reicht weiter in andere Kommunen bis in Landkreisverwaltungen hinein und hat statt eines „Wildwuchses“ von Einzelanlagen längst zu einem Wildwuchs von Windparks geführt, nicht nur in Ostfriesland. In einem echten Theaterstück hätte man solche „Volksvertreter“ längst aus dem Dorf gejagt….
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Am 23. Dezember 2015 erschien auch ein Leserbrief des ehemaligen Holtgaster Ratsherrn Gerd Wessels (CDU) im Anzeiger für Harlingerland. Gerd Wessels unterstützte 1994 als Landeigentümer den Skandalwindpark Utgast in der Gemeinde Holtgast. Dieser Windpark wurde damals durch einen unanständigen Deal auf den Weg gebracht: Die Herstellerfirma Tacke verpflichtete sich in einer Vereinbarung mit der Gemeinde Holtgast, 500.000 DM für den Fall zu zahlen, dass die Gemeinde alles unternehme, damit der Windpark behördlich genehmigt werde. Das nennt man landläufig Korruption. Link .pdf: Windpark Utgast: Vereinbarung_Tacke_Gemeinde_Holtgast_1994
Die Vereinbarung wurde nach staatsanwaltlichen Ermittlungen von der damaligen Bezirksregierung Weser-Ems in Oldenburg kassiert und in eine legale „Schenkung“ umgewandelt. Gerd Wessels Tochter Hinrika Braams ist heute Ratsfrau im Holtgaster Gemeinderat. Sie ist, genau wie ihr Schwager mit ihrer Schwester, Windkraftbetreiberin im Windpark Utgast. Daher weht der Wind in Gerd Wessels nachfolgendem Leserbrief. Es ist eben alles überschaubar auf dem Dorf…
Das Mandat zurückgeben
Betrifft: Bürgerbefragung zur Windenergie in der Samtgemeinde Esens.
Wenn der Esenser Samtgemeinderat eine Bürgerbefragung beschließt, wäre es dann nicht besser, dass die gewählten Vertreter ihr Mandat an die Bürger zurückgeben und Neuwahlen beschließen? Möglich wäre es auch, dass die Gruppe von Ratsmitgliedern, die die Bürger direkt befragen möchte, dies auf ihre eigenen Kosten tut und das Ergebnis für ihre Entscheidung benutzt. Wichtige, in die Zukunft wirkende Beschlüsse kann man nach meiner Meinung nicht von der augenblicklichen Stimmungslage in einer Gemeinde abhängig machen.
Gerd Wessels, Gründeich
T´was all alltied so : “ de Düvel schitt alltied bijt dickste Büllt“
Oder : “ Geld regiert die Welt „
Moin moin Manfred
genau so ist es!