Umgehungsstraße Bensersiel: 3:0 mit Straßenkampf

Nix los: Umgehungsstraße Bensersiel, Foto (C): Manfred Knake

3:0 für den Grundstückseigentümer und Kläger gegen die illegal gebaute „kommunale Entlastungsstraße“, also Umgehungsstraße um den Küstenbadeort Bensersiel/Stadt Esens im Landkreis Wittmund in Niedersachsen. Damit könnte die Straße nun eigentlich zunächst für den öffentlichen Verkehr gesperrt und auch wieder abgerissen werden. Der Kläger, selbst Jurist, hatte vor dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg und dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig erfolgreich gegen den Schwarzbau auf seinen landwirtschaftlich genutzten Ländereien geklagt, die Gerichte erklärten die zugrunde liegenden Bebauungspläne der Stadt Esens für „rechtsunwirksam“. Die Straße wurde, trotz rechtzeitiger warnender Hinweise im Beteiligungsverfahren auch vom Wattenrat Ostfriesland, in einem „faktischen Vogelschutzgebiet“ gebaut. In solchen Gebieten darf jedoch weder geplant noch gebaut werden. Als dritten Erfolg konnte der Kläger vor dem OVG in Lüneburg die Rechtswidrigkeit der Besitzeinweisung (Enteignung des Klägers) im Flurbereinigungsverfahren erwirken. Am 01. August 2015 gingen die überbauten Flächen wieder in das Eigentum des Klägers über, der bis heute keinen Cent Entschädigung gesehen hat. Die Stadt Esens indes gibt nicht auf, sie möchte verständlicherweise die Straße erhalten und den absehbaren Vermögensschaden abwenden. Die Straße wurde auch mit mehr als 5 Millionen Euro öffentlicher Mittel finanziert. Der Landkreis Wittmund und das Land Niedersachsen unterstützen die Stadt Esens mit einer „Neuabgrenzung“ des Vogelschutzgebietes, um die Straße im Nachhinein „verträglich“ zu machen und damit zu retten. Die EU-Kommission ist ebenfalls mit eingebunden und spielt als eigentliche Hüterin der Natura-2000-Richtlinien der EU eine sehr merkwürdige Rolle, indem sie das fragwürdige Vorgehen des Landes Niedersachsens aus der Ferne des Raumes unterstützt, unter völliger Missachtung der Gerichtsurteile. Zur Verantwortung wurde für das Desaster bisher niemand herangezogen, der mitverantwortliche ehemalige Hauptverwaltungsbeamte der Stadt Esens ist seit Herbst 2014 im Ruhestand. Bei näherer Betrachtungsweise ist dies eine millionenteure Posse, die den kommunalen Schildbürgern zugerechnet werden kann. Jürgen Lohs aus der Nachbargemeinde Moorweg hat den Straßenbau in einem witzigen Leserbrief an die Lokalzeitung glossiert. Da der Brief bisher nicht in der Zeitung erschienen ist, wird er hier (ganz unten) abgedruckt.

Anzeiger für Harlingerland, Wittmund/NDS, S. 1, 05. Aug. 2015

„Wir kämpfen um Straße“

ENTLASTUNGSSTRAßE Land hat Fläche an den Eigentümer zurückgegeben

Stadtdirektor Harald Hinrichs hat die Hoffnung, dass mit dem Grundstückseigentümer ein Konsens erzielt werden kann.

VON DETLEF KIESÉ BENSERSIEL – „Die Stadt Esens wird mit allen Mitteln weiterhin für den Erhalt der kommunalen Entlastungsstraße Bensersiel kämpfen.“ Das erklärte gestern Stadtdirektor Harald Hinrichs zur Tatsache, dass das Amt für regionale Landesentwicklung (ArL), eine Behörde des Landes Niedersachsen, mit Wirkung vom 1. August die überbaute Fläche dem Landeigentümer zurückgegeben hat. Dieser Termin sei absehbar gewesen, nachdem im Februar klar war, dass das Flurbereinigungsverfahren nicht zu halten ist. „Die kommunale Entlastungsstraße gehört uns nicht mehr“, bringt es CDU-Stadtratsmitglied Erwin Schultz auf den Punkt. „Damit vollzieht die Landesbehörde einen schon längst überfälligen Schritt unter dem Druck der in der Angelegenheit ergangenen Urteile des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg (OVG) aus 2013 und des Bundesverwaltungsgerichtes Leipzig aus 2014 im Normenkontrollverfahren sowie einer Entscheidung des OVG vom 25. Februar dieses Jahres im Rahmen des korrespondierenden Flurbereinigungsverfahrens“, erklärt Schultz. Der Landeigentümer könne somit wieder über die Flächen verfügen. Nach Ansicht des Esenser Ratsherrn könne der Landeigentümer jetzt darüber entscheiden, ob die kommunale Entlastungsstraße Bensersiel zurückgebaut werden muss oder nicht. Wegen des jahrelangen Besitzentzugs und der Zerschneidung seiner landwirtschaftlichen Flächen könne der frühere Kläger Ersatzansprüche stellen und den Rückbau in den Ursprungszustand fordern. Harald Hinrichs, der den Sachverhalt gestern gegenüber unserer Zeitung bestätigte, unterstreicht den hohen Stellenwert der Ortsumgehung für Bensersiel und auch die Prädikatisierung als Nordseeheilbad. Er habe den Grundstückseigentümer bereits in der vergangenen Woche mit der Bitte um einen baldigen Gesprächstermin angeschrieben. Der Stadtdirektor hat nach wie vor die Hoffnung, dass man gemeinsam noch eine Lösung findet. Die Verwaltung arbeite mit Hochdruck an einem neuen Bauleitverfahren für die Entlastungsstraße.

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Leserbrief von Jürgen Lohs, 06.08.2015:

Harald Hinrichs: „Wir kämpfen um Straße“, Anzeiger für Harlingerland vom 05. August 2015

„Wir kämpfen um Straße“ erklärt Stadtdirektor Harald Hinrichs im gestrigen Anzeiger für Harlingerland auf der Titelseite. Das widersinnige Fazit dieser Aussage: Der Krieg ist aus, der Kampf geht weiter! Und bei der Frage: Gegen wen? offenbart sich abermals die Widersprüchlichkeit eines ganz besonderen Täter-Opfer-Ausgleichs, mit der die abgeurteilten Verantwortlichen weiterhin den Geschädigten zum Konsens-Gespräch einbestellen wollen. Weitergehen soll der Kampf nämlich „mit allen Mitteln“, wie Herr Hinrichs ausdrücklich fortführt, ein Straßenkampf also, mit „Partisanen“ wohl wie Heiko Willms, der einst den eigenen Verhandlungsführern quasi in den Rücken geschossen hat oder Hermann Kröger, der noch im Untergang die Bevölkerung per „Bürgerabstimmung“ unverhohlen aufwiegeln wollte, um sich dann in wirrer Lage aus der Verantwortung absetzen zu können.

Nochmals möchte man Harald Hinrichs zurufen: Der Krieg ist aus! Esens hat ihn verloren. Unterzeichnen Sie die Kapitulationsurkunde! Leisten Sie die berechtigten Reparationszahlungen oder bieten Sie die längst fällige Wiedergutmachung an; schließen Sie einen Friedensvertrag! Und geben Sie die besetzten Gebiete zurück!

Zudem bietet sich nun die Gelegenheit, endlich auch einmal Sinn und Notwendigkeit dieser „Entlastungsstraße“ einer sorgfältigen Betrachtung zu unterziehen, da an drei bis vier Wochenenden in der Saison dort richtig nennenswerter Verkehr zu verzeichnen ist, während im Ort selbst das unverminderte Spitzenaufkommen zu 90% Zielverkehr ist.
So wie am Jade-Weser-Port alle 4 Wochen ein Minister mit Presse-Troß herbeieilt und „Ein Schiff, ein Schiff!“ ausgerufen wird (meist ein Havarist oder Testfrachter), so mögen analog dazu die Verantwortlichen, gern unter Führung von Fokko („Feinstaub“) Saathoff, sich monatlich an der Straße sammeln und „Ein Auto, ein Auto! Aus NRW!“ ausrufen.

Und wäre es nicht endlich an der Zeit, daß der Haus-Chronist des „Harlingers“, der sonst die Wechsel der Esenser Ladenlokale stets sorgfältig als kommunale Wirtschaftsentwicklung überliefert, nun einmal die 15-jährige Genesis der Entlastungsstraße recherchiert und portraitiert. Er könnte dazu auf belastbares und sachgerecht gesammeltes Archivmaterial zurückgreifen, das im wesentlichen von den Herren Manfred Knake und Erwin Schultz bereits zusammengetragen wurde.

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