Am 16. Mai 2022 wurde bekannt, dass die Betreiberfirma „Norderland“, der auch der Windpark in Ochtersum gehört, ihre Windparks an den Energiekonzern Enercity in Hannover verkauft:
Börsen Zeitung, 16. Mai 2022
Megadeal in der Windenergie
Enercity gehört bereits zu den fünf größten Ökostromanbietern in Deutschland. Jetzt legt sich der kommunale Energiekonzern aus Hannover ein großes Portfolio aus Windparks an Land zu. Verkäufer ist die Norderland-Gruppe. Der Transaktionswert dürfte einem hohen dreistelligen Millionenbetrag entsprechen. […]
Im Windpark Ochtersum/Samtgemeinde Holtriem drehen sich derzeit zehn Enercon-Anlagen und produzieren Strom, wenn der Wind weht. Sie produzieren vor allem viel Bares für die Betreiber, bisher aus der Zwangsumlage für alle Stromkunden durch das „Erneuerbare Energien Gesetz“ (EEG) und ab Juli 2022 aus dem Bundeshaushalt, also steuerfinanziert – auch wenn der Wind nicht weht. Alle Insider gingen schon vor Jahren davon aus, dass die Investoren es nicht bei zehn Anlagen in Ochtersum belassen und salamitaktikweise den Windpark nach und nach erweitern würden.
Genau das soll jetzt geschehen, auf einer Fläche, die ursprünglich laut einem Landschaftssrahmenplan des Landkreises Wittmund als Wiesenvogelschutzgebiet vorgesehen war. Der Windpark soll um eine E-138 erweitert werden, die mindestens, je nach Turmhöhe, bis zu 200m hoch werden kann, und das „mehr als 600m“ von der Wohnbebauung entfernt. „Dem Vernehmen nach“ soll die geplante Anlage 199m bis zur Rotorspitze messen. Das wäre eine neue Lärm-Zumutung für die Anwohner, vor allem für die, die weiter entfernt von den Anlagen wohnen, weil durch die Bauhöhe der gesundheitsschädliche tieffrequente Schall weiter trägt, bis an das angrenzende Holtgast zum Beispiel.
Mehr Anlagen seien derzeit nicht geplant, so die Betreiberfirma „Norderland“, weil es Bedenken der Radarsicherheit für den Bundeswehr-Flugbetrieb gäbe. Die Diskussion um die Schallbelastung der Anlieger ist anscheinend an den Investoren spurlos vorübergegangen. Bemerkenswert ist auch, dass dem Landkreis Wittmund noch keine Informationen zur Windparkerweiterung vorliegen, aber Bürgermeister Pfaff (SPD) macht schon Nägel mit Köpfen, hier sein Einladungsschreiben zur Bürgerinformation, eine Formalie, die nichts an der Planung ändern wird, so die Erfahrungen. Ochtersum wird von Spöttern auch schon „Ochtersumpf“ genannt, weil es Verflechtungen zwischen Kommunalpolitikern und der Betreiberfirma gibt.

Westerholt-Rathaus: Vor genau sechs Jahren, am 12. Mai 2016, protestierten ca. 50 Bürger gegen den Bau des Windparks Ochtersum und den Lärmterror durch die Anlagen, vergeblich. – Foto (C): Manfred Knake
Auszug aus einer eMail eines Sachbearbeiters des Landkreises Wittmund an den Verfasser vom 11. Mai 2022:
„[…] Nun zu Ochtersum: Mir sind keine Pläne bekannt, wonach der Windpark Ochtersum mit noch größeren Anlagen versehen werden soll. In jedem Fall liegt mir kein dahingehender Antrag vor. Sollten Ihnen weitergehende Informationen vorliegen, stehe ich weiter gerne als Ansprechpartner zur Verfügung.“
Nachtrag 14. Mai 2022:
Heute im durchweg politiker- und vewaltungsnah berichtenden „Anzeiger für Harlingerland“:
WINDENERGIE – „[…] Geschäftsführer Johann Eisenhauer von der Firma Norderland Naturstrom und Ingenieur Christian Kubitschek stellten vor, was die Firma Norderland plant. […] Franz Pfaff ist froh über diesen sachlichen Austausch, dem ein positives Bürgervotum für eine Anlage zu entnehmen war. […] Im Juni wird der Gemeinderat darüber entscheiden, ob die Anlage gebaut werden wird oder nicht. […]“
Das Ergebnis kann man schon heute vorwegnehmen. Die Abstimmungshände werden mehrheitlich wie gewohnt für Eisenhauers Pläne hochgehen, man kennt sich und bekommt dafür auch Bares für die Gemeindekasse. Enttäuschend nur, dass die Einwohner diesmal nun laut Pfaff „positiv“ dabeisaßen. Vor genau sechs Jahren gab es von Windkraftkritikern und Anwohnern anlässlich einer Demo vor dem Rathaus in Westerholt (Samtgemeinde Holtriem, zu der auch Ochtersum gehört) erheblichen Gegenwind gegen die damaligen Ochtersumer Windparkplanungen, man hatte laut Transparent „die Schnauze voll“ von Eisenhauers Plänen. Entweder entspricht die aktuelle Darstellung von Franz Pfaff nicht der Wahrheit – oder der Widerstand ist erloschen. Vielleicht wurde auch erkannt, das man gegen das geballte Einheitssystem aus Kommunalpolitik, Betreiberinteressen, Genehmigungsbehörde und Presse nicht mehr ankommen kann. Fassadendemokratie eben, die schon auf kommunaler Klüngelebene beginnt und die nicht nur in Ochtersum und „umzu“ zur Resignation geführt haben könnte.
Links:
https://taz.de/!5372080/?msclkid=980da468d04111ec96fd2b696d470f1e